Kampmeiers Kolumne

Vom Bürostuhl bis zur großen Politik: Warum einfache Antworten selten tragen

Veröffentlicht am 22. August 2025
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Einen Bürostuhl kaufen? Schon kompliziert genug. Ein Land zusammenhalten? Noch schwieriger. Und doch höre ich ständig Sätze, die klingen, als gäbe es für alles eine schnelle Lösung. Nur: so einfach ist unser Leben nicht.

Vielleicht sind es am Ende nicht die Antworten, die uns weiterbringen – sondern die Fragen.

Warum Fragen die besseren Antworten sind

Als Westdeutsche im Osten erlebe ich manchmal Diskussionen doppelt intensiv. Hier höre ich Sätze wie: „Uns fragt ja sowieso keiner“ – und spüre die alten Wunden. Im Westen höre ich: „Die im Osten sollen endlich mal zufrieden sein!“ – und spüre das leise „Lass mich damit in Ruhe.“

Diese unterschiedlichen Sichtweisen machen mich manchmal sprachlos. Aber es ist nicht nur die Ost-West-Frage, die mich bewegt. Es ist das politische Klima insgesamt: die Parolen, der Applaus für die einfachen Antworten, das umgehende Abwerten differenzierter Gedanken.

Ich weiß aber auch: Wir dürfen nicht aufhören, im Kontakt zu bleiben.

Unseren Schlüssel dafür sehe ich in der Sprache.

Durch Worte können wir Offenheit signalisieren oder die Schotten dichtmachen, schwächen oder stärken, beleidigen oder begeistern.

Wenn wir irgendwann aufhören zu kommunizieren, fallen wir in ein sinnloses Hauen und Stechen ab. Und bekanntlich macht Auge um Auge, Zahn um Zahn blind und mundtot.

Meine persönliche Lösung? Fragen stellen. Gerade im 1:1 Gespräch habe ich schon so viele wunderbare Überraschungen erlebt: neue Blickwinkel, Verständnis und Verstehen – auf beiden Seiten.

Wenn wir uns wieder bewusst machen, wie viel Kraft in einer einzigen Frage stecken kann, müssen wir nicht mehr händeringend nach der „richtigen“ Antwort suchen.

Antworten machen dicht – Fragen öffnen

Wir leben in einer Zeit, in der Antworten wie aus der Pistole geschossen werden. Talkshows, Schlagzeilen, Social Media – überall fertige Gewissheiten. Je kürzer, je klarer, desto besser.

Doch im Grunde wissen wir alle, dass das Leben nicht so simpel ist.

Schon der einfache Kauf eines neuen Bürostuhls stellt uns vor eine enorme Aufgabe: Soll er ergonomisch sein, höhenverstellbar, mit oder ohne Armlehnen, in Leder oder Stoff, passt er ins Bürodesign, und ist er auch noch bezahlbar? Aus „nur ein Stuhl“ wird eine kleine Wissenschaft.

Nicht einmal die schlichte Frage: „Was ziehe ich morgen an?“ ist so harmlos wie sie klingt. Da hängt eine Menge dran: Anlass, Wetter, Dresscode, persönliche Stimmung, vielleicht sogar die Frage, welches Signal ich damit an andere sende.

Und plötzlich soll die verführerisch einfache Aussage „Wir müssen nur die Grenzen schließen, dann wird alles gut“ die Lösung auf all’ unsere gesellschaftlichen Herausforderungen sein?!

Wenn wir ehrlich sind, müsste da unser gesunder Menschenverstand sofort Alarm schlagen. Stattdessen wird jede Gegenrede sofort zum Schlagabtausch und die Schubladen gehen schneller auf als als wir gucken können: Hinterwäldlerischer Ossi, arroganter Wessi. „Linksversifft“, „woke“, „verschwurbelt“, „rechtsextrem“.

Und genau hier zeigt sich die Kraft der Fragen.

Eine einzige Frage kann die Situation verändern. „Wenn du das zu Ende denkst – was genau verändert sich dadurch für dich persönlich?“ Oder „Hast du selbst diese Situation schon mal erlebt?“

Fragen holen Themen zurück auf den Boden der Realität. Sie zeigen, dass Politik, gesellschaftliches Miteinander – unser Leben! – nicht nur aus Sprüchen bestehen, sondern aus Konsequenzen.

Meine Werkzeugkiste gegen Sprachlosigkeit

Mit der Zeit habe ich mir eine kleine Sammlung von Fragen zugelegt. Sie sind kein Allheilmittel, aber sie helfen, in Gesprächen handlungsfähig zu bleiben – ohne dass ich immer die passende Statistik parat haben muss.

  • Die Wirkungsfrage: „Und was genau würde sich dadurch ändern?“ Was bedeutet „Grenzen dicht!“ für die Lkw-Fahrer, die Waren liefern? Für die Firmen, die exportieren?

  • Die Umsetzungsfrage: „Wie soll das praktisch gehen?“ Einfache Lösungen zerplatzen, wenn man nach den Details fragt.

  • Die Fairnessfrage: „Und was bedeutet das für die Schwächeren?“ Damit meine ich ganz konkret: Kinder, Kranke, Ältere, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung. Sie sind meist die Ersten, die die Folgen von politischen Entscheidungen spüren.

  • Die Verantwortungsfrage: „Und wenn es nicht klappt – wer trägt die Verantwortung?“ Schuld sind natürlich immer „die anderen“. Diese Frage zieht den Vorhang weg.

  • Die Rückspiegel-Frage: „Wo genau hat das schon mal funktioniert?“ Wenn es keine Beispiele gibt, entlarvt sich die Behauptung von selbst.

Und wenn ich nur eine einzige Frage stellen dürfte, dann wäre es wohl diese: „Wer hat eigentlich was davon?“ Gerade populistische Parolen klingen, als seien sie für „das Volk“ gemacht. Doch bei genauerem Hinsehen profitieren meist ganz andere.

Ich gebe zu: auch Fragen stoßen an ihre Grenzen.

Hartnäckige Ignoranten lassen sich auch durch Fragen nicht von ihrem Weg abbringen. Gleichzeitig gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass möglicherweise doch irgendwann die „richtige“ Frage dazwischen ist. Die, die irgendwas im Gegenüber zum Klingen – und zum Nachdenken – bringt …

Doch die politische Ebene ist ja nur eine von vielen. Wenn auch eine der brisantesten …

Auch das Thema Ost-West wird uns noch eine Weile begleiten – wenn wir nicht endlich anfangen, mit anderen Augen darauf zu schauen. Und anders darüber zu denken und zu reden.

Ost und West – näher, als man denkt

Ich lebe seit einigen Jahren in Sachsen. Nicht in einer Großstadt wie Leipzig oder Dresden, sondern auf dem Dorf. Aufgrund meiner Begegnungen und Erfahrungen halte ich liebend gerne Vorträge und gebe Workshops zu den Themen Perspektivwechsel, Miteinander, Wertschätzung. Ich habe viele Menschen getroffen, die sich bedanken: „Endlich mal jemand, der uns nicht nur als Jammer-Ossis sieht.“ Gleichzeitig gibt es Sätze, die mich erschöpfen, weil sie voller Opferhaltung stecken.

Doch hinter dieser Haltung stecken Geschichten: von Brüchen nach 1989, von Betrieben, die verschwanden, von Biografien, die abgewertet wurden.

Was ich hier jedoch vor allem sehe, ist das unglaubliche Potenzial: die unermüdliche Erfindungskraft, die den Osten schon immer ausgezeichnet hat. Vieles, was im Westen groß wurde, hat hier seinen Ursprung – nur unter einem anderen Namen. Oder haben Sie gewusst, dass meine ständige Begleiterin – die Thermoskanne – aus Chemnitz kommt?!

Man denke auch an „Silicon Saxony“, das europaweit führende Zentrum für Mikroelektronik, oder an die TU Chemnitz, die seit Jahren praxisnahe Forschung und Industrie miteinander verbindet.

Es gibt hunderte mittelständische Betriebe, die widerstandsfähig und hochinnovativ sind. Dabei weltweit gefragt und gleichzeitig fest in der Region verwurzelt.

Statt weiter Gräben zu vertiefen, möchte ich uns alle ermutigen, genauer hinzuschauen, die Gemeinsamkeiten und die jeweiligen Stärken zu entdecken. Ich gehe jede Wette ein, dass uns das Ergebnis umhauen wird!

Hüben wie drüben zeigt unser Einfallsreichtum, wozu wir fähig sind. Umso schmerzlicher ist es, wenn daneben so oft Sätze fallen wie „Man kann ja eh nichts machen“. Potenzial und Resignation liegen leider manchmal dicht beieinander.

Dieses Wegducken, dieses „Lasst mich mit allem in Ruhe“ – das ist vielleicht die größere Gefahr für unsere Demokratie als jede Parole. Und nun?

Fazit: Die Kunst, offen zu bleiben

Ich bleibe dabei: wir dürfen nicht aufhören, im Kontakt zu sein. Ost-West, Nord-Süd – oder von ganz woanders her. Und dabei helfen uns Fragen. Auch, wenn Diskussionen manchmal ermüden.

Fragen stellen heißt: Ich bleibe im Gespräch, auch wenn es unbequem ist. Ich höre zu. Ich will verstehen. Und ich mache deutlich: Dein Wort zählt – so wie meins auch.

Vielleicht ist genau das unsere Aufgabe in diesen Zeiten: nicht immer sofort Antworten parat zu haben, sondern durch Fragen Dialoge am Laufen zu halten.

Was meinen Sie?
Ist Ihnen heute schon eine gute Frage begegnet?

Wenn Sie Fragen haben, wie man Gräben durch gute Geschichten überwindet – dann vereinbaren Sie ein Termin und lassen Sie uns darüber sprechen.

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