In jener denkwürdigen Zeit habe ich in Hamburg in einer WG gelebt. Meine Mitbewohnerin und ich waren nicht selten unterschiedlicher Meinung: über Regeln, über Maßnahmen, über das, was richtig und falsch war.
Manchmal haben wir diskutiert, hitzig und leidenschaftlich. Manchmal sachlich, ruhig und reflektiert. Und oft haben wir uns mitten im Gespräch in unseren eigenen Argumenten verfangen. Der Wunsch zu überzeugen war groß – aber noch größer war unser Verständnis füreinander.
Warum? Weil wir uns nicht als Gegnerinnen sahen. Uns war das Zwischenmenschliche wichtiger als „Recht zu haben“. Zugegeben: Manchmal kam diese Erkenntnis erst, nachdem wir uns eine Pause gegönnt hatten. Nachdem der Eifer des Gefechts abgeklungen war und Raum für Reflexion entstand.
Erst im Nachhinein habe ich verstanden, was für ein großes Geschenk es war, dass wir einander einfach stehen lassen konnten. Genau das ist der Schlüssel für gelungene Kommunikation: Ein gutes Gespräch endet nicht damit, dass eine gewinnt. Es endet damit, dass beide etwas mitnehmen.
Im Alltag passiert es uns leicht:
Wir hören schon nicht mehr zu, während unser Gegenüber noch spricht.
Wir rüsten uns gedanklich mit Gegenargumenten, anstatt zuzuhören.
Wir sehen Meinungen als Kampfansagen – und nicht als Einladungen, die Welt durch eine andere Brille zu sehen.
Und hier liegt der Knackpunkt: Unsere Unterschiede sind kein Problem. Sie sind eine Bereicherung.
Daraus entsteht echte Kommunikation – nicht wenn alle gleich denken, sondern wenn wir verstehen wollen. Das gilt für Freundschaften genauso wie für Teams oder die Gesellschaft.
Der Alltag in Unternehmen zeigt uns: Kommunikation scheitert oft nicht an fehlendem Wissen, sondern an fehlendem Raum für Offenheit.
Stellen Sie sich ein Teammeeting vor, in dem alle sagen, was sie denken – und niemand wirklich zuhört. Es wird argumentiert, bewertet und verurteilt. Der Raum ist laut, die Köpfe voll, die Ergebnisse mager.
Jetzt stellen Sie sich das gleiche Team vor, das sich bewusst Zeit nimmt, einander zuzuhören.
Vielfalt wird nicht als Bedrohung, sondern als Stärke erkannt.
Diskussionen bleiben ergebnisoffen, respektvoll und zielführend.
Führungskräfte schaffen einen Raum, in dem alle Stimmen gehört werden können.
Plötzlich geht es nicht mehr darum, „Recht zu haben.“ Es geht darum, das Beste für alle zu finden.
Wir alle tragen unterschiedliche Geschichten in uns, die unsere Sicht prägen. Das ist wertvoll. Das ist bereichernd.
Aber: Es braucht Mut, das auszuhalten. Es braucht die Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen und nachzufragen: „Wie siehst du das?“
Und dann – wirklich hinzuhören. Ohne zu bewerten. Ohne sofort zu widersprechen.
Diese Fähigkeit wünsche ich uns allen für das neue Jahr:
In Teams, die besser zusammenarbeiten, weil sie einander verstehen.
In Organisationen, die Vielfalt nicht nur betonen, sondern leben.
In Meetings, die nicht in Sackgassen enden, sondern Lösungen hervorbringen.
Und in einer Gesellschaft, die sich nicht spaltet, sondern im Dialog bleibt.
Denn das, was in meiner WG-Küche funktioniert hat, macht auch im großen Kontext den Unterschied.
P.S.: Wie gelingt es, diese Offenheit und Menschlichkeit auch in Teams und Organisationen zu verankern? Genau darum geht es in meinen Workshops und Vorträgen – denn manchmal braucht es nur den richtigen Impuls, um Kommunikation wieder zu dem zu machen, was sie sein sollte: ein Ort der Verbindung.