Kampmeiers Kolumne

Von Mücken, Müttern und Mitgefühl: Warum meine Buchhaltung auf der Strecke blieb

Veröffentlicht am 6. August 2024
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Gestern habe ich prokrastiniert. Sogar tüchtig. Allerdings hatte ich auch einen sehr triftigen Grund: Ich bin in der Nacht von einer Mücke gestochen worden. Wer weiß, ob das nur eine war – vermutlich waren es hundert, ach, was sage ich, zweihundert! Ich war quasi eine Aneinanderreihung von Mückenstichen auf zwei Beinen.
Mücke am Fenster

Da meine Mutter mir schon als Kind verraten hat, was in solch einem Fall hilft, bin ich also nicht an den Schreibtisch, habe mich nicht meiner Buchhaltung gewidmet und auch nicht irgendeinem der anderen Themen meiner fröhlich winkenden to-do-Liste. Stattdessen habe ich in allen Ecken Staub gewischt, gesaugt und noch nass über die Böden gewienert. Und weil ich grade so in Fahrt war, mussten die Fenster auch noch dran glauben. Mama meinte nämlich, Mücken könnten Sauberkeit nicht leiden, sie flögen nur in staubige Zimmer.

Habe ich nie infrage gestellt. Der Tipp kam schließlich von meiner Mutter, und Mütter wissen alles.

Nach stundenlanger, schweißtreibender Arbeit, kamen mir bei Fenster Nr. 3 erste Zweifel: Was, wenn das gar nicht stimmt? Wenn den Mücken im Grunde schnurz­egal ist, ob das hier blitzt und blinkt oder nicht?! Wenn die bloß mein Blut wollen? Was, wenn das ein ganz hinterhältiger Trick meiner Mutter war, damit ich endlich mein Zimmer aufräume?!

Ich musste mich setzen. Hätte mich meine Mutter absichtlich so dermaßen angeflunkert? Und in dem Moment wusste ich es: Ja. Hätte sie.

Hat sie sogar schon. Acht Jahre lang machte sie mir an ihrem Geburtstag weis, sie würde 32. Erst an ihrem 40. flog der Schwindel auf. Hätte ich merken können, schon klar. Vielleicht noch nicht bei ihrem »echten« 32., da war ich vier. Aber später dann. Ich hab auch das einfach nie infrage gestellt. Wenn Mama das sagt, muss das doch stimmen. Mütter wissen alles. Welchen Grund sollte sie haben, mich anzuschwindeln?

Seit damals stelle ich übrigens erst einmal alles infrage. Was ich jedoch nie angezweifelt habe, war die Sache mit den Mücken. Bis gestern.

Und seit heute habe ich die Gewissheit: Es ist Mücken egal. Ich habe frische Stiche. Trotz so gut wie klinisch reinem Schlafzimmer.

Am Ende hab ich da gesessen und herzhaft gelacht. Vor allem bei dem Gedanken an meine Mutter und ihren »Trick«. Das ist für mich ein sehr eindrückliches Beispiel für gleich mehrere, im Grunde sogar echt paradoxe Dinge:

  • Wie leicht es ist, Menschen zum Handeln zu bewegen, wenn du ihnen eine einleuchtende Geschichte erzählst. Wenn du sie für die Gründe begeisterst, mit denen sie ihr Ziel erreichen.

  • Aber auch wie tief sich Überzeugungen festsetzen können, die uns von einer Person mitgegeben werden, die wir nicht infrage stellen.

Wie ist das bei dir, bei Ihnen? Bist du oder sind Sie auch schon mal einem Mythos erlegen? Wenn Sie mögen, erzählen Sie mir davon …

p.s.: Während ich gerade schreibe, prasselt der Regen gegen die bis eben noch blitzblank sauberen Fensterscheiben. Verflixt! Ich muss los. Zum Baumarkt, Mückengitter kaufen. Solange muss die Buchhaltung halt noch warten …

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